Finnmark – Teil 2

Am Abend, kurz nachdem die Sonne hinterm Horizont verschwunden ist, haben sich vor dem noch Hellblauen Himmel auch schon die ersten Sterne gezeigt.

Sterne? Die hatte ich das letzte mal in Litauen gesehen!
Eine klare Nacht im so hohen Norden soll ja angeblich ein Garant für Nordlichter sein.
Praktischerweise war ich sowieso gerade mitten im nirgendwo unterwegs, die Lichtverschmutzung war also gleich null.
Beste Voraussetzungen also.
Bei der nächsten Gelegenheit bin ich dann auf einen etwas entfernteren Rastplatz gefahren, habe mich warm angezogen und erwartungsvoll in den Himmel geschaut.
Nichts.
Bis auf eine kaum sichtbare, schmale Wolke, die sich über den ganzen Himmel gelegt hat.
Moment. Wolken bewegen sich nicht so.
Mit Kamera und Stativ ist die Sache dann klar geworden. Der blasse Streifen am Himmel war tatsächlich ein Polarlicht!

Ein schmaler Streifen Aurora

„Das ist ganz schön unspektakulär“, hab ich mir gedacht.
„Auf dem Foto sieht das zwar ganz cool aus, aber in echt ist das ja kaum zu sehen.“
Weit gefehlt.
Wie auf Zuruf hat sich der blasse Streifen in den kommenden zwanzig Minuten in jede Menge Lichtfäden verwandelt, die am Himmel tanzen.
Die Fotos, die ich in der nächsten Stunde geschossen habe, sind zwar ganz fantastisch, kommen der Sache aber bei weitem nicht nahe.
Der ganze Himmel hat getanzt!
Neben grünen und gelben schlieren, ist kurzzeitig besonders helles, rosa und weißes Licht dazugekommen.
Zwischendurch waren gar keine einzelnen Schleier auszumachen und der ganze Himmel hat sich grün gefärbt.
Atemberaubend!
Aber genug geschwafelt. Ein paar der schöneren Bilder:


Wäre es nicht so verdammt kalt, hätte ich vermutlich die ganze Nacht mit offenem Mund nach oben gestarrt. Irgendwann hat mich das Gefühl in den Fingern dann aber komplett verlassen und ich bin mit Heizung auf Anschlag und einer neuen, fantastischen Erinnerung weitergefahren. Wenige Kilometer später habe ich einen schönen Rastplatz am See gefunden und durch das Fenster noch einige Zeit den letzten Lichtern hinterhergeschaut, bevor mich dann der Schlaf eingeholt hat.

 

Ich wache auf, mir ist kalt.

Huiiii, ist das frisch da draußen, stelle ich kurze Zeit später fest.
Stellt sich herraus, je näher man im Herbst am Nordpol ist, desto kälter wird die Luft.
Verrückt.

Also schnell zurück ins warme Auto und auf in Richtung Nordkapp!

Nicht allzu lange später komme ich an. Hundert Meter vor dem Ziel steht ein kleines Kassenhäuschen. Ich werde mit einem herzlichen „Guten Morgen!“, in friesischem Dialekt begrüßt und bin kurz verwirrt.
180 Kronen soll ich den Halsabschneidern fürs Parken bezahlen. Einen Teufel tu‘ ich!
Ich drehe also um, fahre keine 300 Meter weiter ab von der Straße ins Gelände (Wofür hab ich denn nen Geländewagen?!) und spaziere zum Nordkapp.
Der friesische Kassenwart nimmt das mit Humor und erklärt mir noch, wo in der Gegend gute Wanderwege sind.

Es ist zu kalt zum wandern!

Aber endlich angekommen bietet sich mir ein herrlicher Blick über die Barentssee. Warum das Meer „See“ heißt, verstehe ich immer noch nicht.

Die Barentssee

An der Statue, die das ländliche Nordende von Europa markiert, ist wahnsinnig viel los.
Ich warte also geduldig im Windschatten von einem undekorativen Bagger und bekomme nach einer guten halben Stunde dann endlich die Gelegenheit für ein Foto, dass einem immerhin suggeriert, hier sei nichts los.

Ich quatsche noch ein wenig mit einem Hamburger (hehe), der nach zwei Tagen Autofahrt seine Reise heute hier beginnt.
Für mich sind noch nicht ganz zwei Wochen in Skandinavien vergangen – es fühlt sich nach deutlich mehr Zeit an.

Nach dem Nordkapp geht die Reise weiter in Richtung Alta.
Unterwegs fällt mir auf, dass hier eigentlich den ganzen Tag „Goldene Stunde“ ist, denn die Sonne steht hier immer sehr niedrig. Ergibt ja auch irgendwie Sinn.
Nur sorgt dieses niedrige Licht dafür, dass die ganze Luft immer ein wenig diesig ist. Fotografisch lässt einem das leider nicht viele Möglichkeiten.
Gegenlicht-Bilder können aber auch ganz schön sein.

Kurz vor dem Nordkapp

Fjordküste – mit Gegenlicht…

 

Alta ist ein denkbar unspektakulärer Ort. Die Fußgängerzone besteht aus zwei sich kreuzenden Straßen, an deren Ecken drei sehr große Kaufhäuser und eine Baustelle stehen. Wenn ich raten muss, wird das auch mal ein Kaufhaus.

Aber irgendwie ergibt das ja auch Sinn. Während der Polarnacht bin ich auch lieber in warmen Kaufhäusern unterwegs, als auf der Straße. Wärme schlägt Ästhetik dann doch um Längen.

In einem Kaffee lasse ich mich für die nächsten zwei Stunden nieder, trinke einen viel zu teuren Cappuccino und plane meine Weiterreise. Viel weiter als Tromsø habe ich nämlich bislang nicht geplant.
In den zwei Stunden wälze ich also in meinem Reiseführer und markiere mir die Orte, die ich in Norwegen besuchen möchte. Den Plan für Schweden verschiebe ich auf morgen.

Als ich das Kaffee verlasse ist es bereits dunkel draussen. Mir fällt auf, dass eins meiner Scheinwerferlichter kaputt ist. Morgen.

Ich finde einen ruhigen Schlafplatz, nur wenige Kilometer hinter Alta, kurz vor dem Alta-Canyon, der eigentliche Grund, warum ich die Stadt besuche.

 

In aller Frühe mache ich mich am nächsten Morgen auf zum Canyon. der weg führt zuerst über eine Schotterpiste, dann wird er eigentlich zum Wanderweg.
Four-Wheel-Drive an und weiter gehts!
Zumindest etwa einen Kilometer, dann versperrt mir ein großer Sumpf den Weg. Hier traue ich mich nicht durch, steckenbleiben ist keine Option, also parke ich und schnüre mir die Wanderschuhe an.

Unterwegs zur Schlucht, es sind noch etwa fünf Kilometer, grätschen immer wieder kleine Flüsse durch den Wanderweg, die es balancierend zu überqueren gilt.

Und weil Flüsse so fotogen sind, haben alle vier ein Foto bekommen:

 

Kurz vor dem Ziel, mitten im nirgendwo, steht ein Briefkasten.

In dem Briefkasten finde ich ein kleines Büchlein, in dem man sich verewigen kann. Jeden Tag kommen hier etwa fünf Leute vorbei. Ich bin heute der erste.

Wenige Meter weiter treffe ich auf den großartigen Canyon. Immerhin der größte in Nordeuropa – wäre Südfrankreich nicht, wäre es sogar Europas größter.

Sehr schön! Aber so langsam bekomme ich Hunger. Schnell zurück zum Auto.

Für Wanderer ist der kleine Sumpf zum Glück überbrückt!

 

Tromsø ist noch einige Stunden entfernt, ich schlängle mich bis zum Abend an der Küste entlang, die mir immer wieder wundervolle Blicke auf die Fjordlandschaft von Finnmark gewähren.

Kurz hinter der Gebietsgrenze von Finnmark finde ich einen Schlafplatz. Auch heute habe ich wieder das Glück Nordlichter sehen zu können. Auf Fotos hab ich diese Nacht aber keine Lust.