Halbinsel Krim

Ich hab definitiv zu wenig Zeit in Russland!

Die kurze Zeit auf der Krim war fantastisch! Ich muss da auf jeden Fall nochmal hin, mit weniger Zeitdruck.

Aber von vorne und damit ich meine Gedanken ein bisschen ordnen kann, schreibe ich wohl am besten Tageweise.

Tag 1 – Donnerstag, der 17.05.

Der Weg in Richtung Krim zieht sich doch deutlich länger, als ich erwartet habe. Seit zwei Tagen ist die neue Krim-Brücke eröffnet, die noch kein Navi kennt. Entsprechend fahre ich mal auf gut Glück in die Richtung, in der ich die Brücke erwarte. Das klappt auch ganz gut, eventuell fahre ich dann auf einer nagelneuen Autobahn in Richtung Brücke und bin dann auch zügig auf der anderen Seite.

Offiziell bin ich ja jetzt wieder in der EU. Defacto ist das hier allerdings schon ziemlich eindeutig Russland. Mein russisches Netz funktioniert hier nur fürs telefonieren, das deutsche Netz nörgelt mit „Verbindung verboten“, hier geht gar nichts. Ukrainisches Netz ist jedenfalls abgeschafft.

Viel Zeit habe ich heute aber insgesamt nicht mehr. Mein erstes Ziel auf der Krim ist ein Salzsee, der sich angeblich farblich spektakulär von der Landschaft abheben soll.

Ein paar Kilometer auf Feldwegen später, erhasche ich dann den See, ein Foto ist er mir aber nicht wert. Anders, als auf den Fotos im Netz, sieht der озеро Кояшское ziemlich öde aus.

Die Gegend ist aber insgesamt total schön, direkt neben dem See finde ich einen Platz für die Nacht.

Tag 2 – Freitag, der 18.05.

Geweckt werde ich am Morgen von Irgendjemandem, der hier in der Pampa, direkt neben meinen schönen Schlafplatz laut telefoniert. Hrmpf!

Kurze Zeit später stellt sich heraus, dass der Kollege Nationalparkwächter ist und ich mich mitten in den Nationalpark platziert habe, was ich natürlich nicht darf. Glaube ich zumindest, er spricht nur Russisch und ich Englisch. Wir verstehen uns trotzdem irgendwie. Ich lerne noch, dass es sich bei dem Nahegelegenen Berg wohl um „Thors Mountain“ handelt und er dort scheinbar irgendwas erforscht.
Mit einem Lachen verabschieden wir uns voneinander und ich fahre weiter in Richtung Nationalpark Karadag.

Unterwegs gabel ich noch einen Anhalter auf, einer von den alten und sehr gezeichneten Landsleuten, der mich zwar nicht versteht, aber wohin er will, lässt sich auch mit Händen und Füßen ganz gut kommunizieren.

 

Da sich mein Tank dem Ende nähert, fahre ich im Anschluss eine Tanke an. Jan hatte mich noch gewarnt, dass es eventuell Probleme mit meiner Kreditkarte gibt. Ich habe entsprechend gestern mal zur DKB geschrieben, ob ich die denn auch auf der Krim verwenden könne. Die Antwort ist ein relativ eindeutiges Ja. Ich zitiere mal:

Sehr geehrter Herr Brüggen,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Sie können Ihre DKB-VISA-Card weltweit einsetzen.[…]

Von wegen.
Die Karte wird nicht akzeptiert. Auf der Krim funktioniert Kartenzahlung ausschließlich mit Russischen Bankkarten. Danke, DKB…
Da stehe ich also, mitten auf der Krim an der Tanke und kann nicht bezahlen.. Bargeld habe ich natürlich auch nicht mehr genug.
Glücklicherweise spricht eine der Angestellten ziemlich gut Englisch und bietet mir an mich kurz zur Bank zu begleiten. Optimal! Zum abheben funktioniert die Karte hier allerdings auch nicht, Mist. Zum Glück habe ich noch einige Euro-Scheine für genau solche Fälle. Die kann ich in der Bank umtauschen und habe so immerhin ein paar Tage sicher.
Mit der DKB habe ich übrigens nochmal geschrieben, mit dem Hinweis auf die Kartennutzung und die politische Situation. Die Antwort darauf war auch ganz interessant:

[…]Ich bedauere, dass Sie unsere DKB-VISA-Card nicht nutzen können.
Die politische Lage ist uns jedoch nicht bekannt.[…]

Das kann ich mir eigentlich nicht vorstellen – Normalerweise bin ich doch immer derjenige, der Nachrichten als letztes mitbekommt. Aber dass die Krim seit ein paar Jahren defacto Russland ist, ist doch allgemein bekannt?! Wie kann das denn einer Bank entgangen sein?
Naja, wundersam, aber doch. Vollgetankt geht’s jetzt auf jeden Fall weiter!

Inzwischen ist es schon Nachmittag, ich gönne mir trotzdem eine längere Pause in einem Kaffee. Nicht zuletzt, um noch ein paar Sachen zu klären und alles an Infos runterzuladen, was ich wohl in den nächsten Tagen brauchen werde.
Außerdem aktiviere ich mein Skype Konto mal wieder. Mit meinem Office-Abo bekomme ich pro Monat 60 Freiminuten für weltweite Festnetzanrufe. Ein paar davon benutze ich, um mal bei Unitymedia nachzuhorchen, was eigentlich aus meiner Kündigung geworden ist. Die ist glücklicherweise durch, die haben nur vergessen mir eine Mail dazu zu schreiben.
Damit sollte jetzt das letzte offene ToDo, was ich aus Deutschland mitgenommen habe, erledigt sein.

In dem gleichen Ort verlasse ich die befestigte Straße und gurke ein paar hundert Meter in Richtung Nationalpark. Vor der Schranke erklärt mir einer der Wächter, dass ich nur von Курортное (Kurortnoye) aus und nur mit einer geführten Gruppe in das Gebiet darf.
Na gut – ich drehe um und fahre die 30 Kilometer nach Курортное, wo ich erfahre, dass die nächste Tour morgen Früh um 09:00 Startet.
Für mich heißt das vor allem, dass ich mir heute früh einen Schlafplatz suche. Einen optimalen Ort habe ich schnell gefunden.

Tag 3 – Samstag, der 19.05.

Los geht’s heute früh nach ausgiebigem Frühstück mit der Nationalparktour. Am Anfang spielt das Wetter leider noch nicht so wirklich mit, das ändert sich dann aber im Laufe des Vormittags zum Glück.

Auf jeden Fall ist das wahnsinnig schön hier!

Vier Stunden verbringe ich insgesamt in dem Park, die letzten zwei kann ich mich dann auch frei bewegen und muss nicht mehr in der Gruppe mitlaufen.

 

Im Anschluss fahre ich weiter an der Küste entlang, nach Новый Свет (Novyi Svit), mit einer Festungsruine und ein paar Überbleibseln aus dem 17. Jahrhundert in einer Grotte.
Außerdem gibt’s auf dem Weg zur Grotte noch einen dekorativen Angler, der ein sehr schönes Bild abgibt!

Danach fahre ich ein bisschen weiter an der Küste entlang, erhasche einen komplett leeren Strand und mache eine ausgedehnte Pause.

Am frühen Abend kurve ich noch weiter in Richtung Ялта (Jalta). Inzwischen wundert mich auf den Straßen auch die gelegentliche Herde Pferde nicht mehr, die kurz hinter einer Kehre meint dort grasen zu müssen.

Tag 4 – Sonntag, der 20.05.

Schon blöd, wenn man sein Zeitgefühl so komplett verliert. Sonntags ist offenbar Ruhetag für Banken. Da mein Bargeld sich so langsam dem Ende zuneigt, suche ich, leider vergebens nach einer offenen Bank.
Immerhin kann ich meine Lebensmittel aufstocken.
Da es sowieso recht regnerisch ist heute Vormittag, hält sich mein Antrieb auch relativ in Grenzen.

Eine kurze Wanderung mache ich aber, breche dann aber vorzeitig ab. Ist mir alles zu nass!

Kurz hinter Ялта ist einer der höchsten Berge der Krim, der Ай Петри (Ay Petri). Praktischerweise kann ich hier komplett mit dem Auto hoch. Oben angekommen lege ich aber erstmal eine Pause ein, weil der komplette Berg gerade von einer Wolke umhüllt wird und ich genau gar nichts sehe.
Nach etwa einer Stunde klärt es dann aber auf und die Wolken sinken ein bisschen ab.

Weiter geht’s! Heute steht nur noch ein kurzer Abstecher zum „Schwalbennest“ an. Ein kleiner Turm, der sich dekorativ auf einer Klippe in Richtung Meer lehnt.

Am Abend komme ich dann am Westlichsten Punkt meiner Krim-Tour an: Севастополь (Sewastopol).

Tag 5 – Montag, der 21.05.

Praktischerweise habe ich an meinem Schlafplatz Wlan. Da ich dringend mal wieder Duschen sollte, schreibe ich ein Paar Couchsurfing-Anfragen, bevor ich mich wenige Meter weiterbewege, zu den Ruinen von Χερσόνησος (<-Griechisch – Chersones).
Die Ruinen sind ein Gemisch aus verschiedensten Epochen, zwischen dem 6. Jahrhundert v. Chr. und dem 15. Jahrhundert.
1892 Wurden nochmal ein paar neue Gebäude am Rand der verfallenen Siedlung gebaut.

Nach den Ruinen spaziere ich noch am Boulevard entlang, der insgesamt ziemlich unspektakulär ist. Eine schöne Fotogelegenheit entdecke ich aber.

Sonst protzt die ganze Stadt ziemlich mit Kommunistischen Denkmälern und Gebäuden.

Vor der Abfahrt finde ich noch eine Bank und wechsle nochmal einige Euros, damit ich auch wieder runterkomme von der Halbinsel.

 

Der nächste Halt ist die alte Höhlenstadt Mangup Kale, die sich an der Kante von einem Plateau befindet.
Der Aufstieg zum Plateau ist ziemlich Steil. Als es sich so langsam verflacht, tauchen auf einmal Grabsteine mit hebräischer Inschrift auf beiden Seiten des Weges auf. Bewacht werden die von einer fetten Katze, die hier offenbar wohnt.

Raus aus dem Wald und rauf auf’s Plateau. Die Wohnungen sind hier ziemlich spektakulär in die Felskante geschlagen. Die Aussicht ist auch alles andere als schlecht!

Auf dem Weg nach unten biege ich irgendwo falsch ab und mache einen riesen Umweg zurück zum Auto.
Anstelle von den eigentlich knapp zwei Kilometern, laufe ich gut sechs Kilometer zurück. Mein Handy ist natürlich schon auf dem Hinweg leergegangen und ich orientiere mich dementsprechend am Sonnenstand. Immerhin hab ich so die noch größere Runde von 15 Kilometern verhindert. Trotzdem ziemlich unnötig die ganze Aktion.

 

Weiter geht’s zur nächsten Höhlenstadt: Chufut-Kale. Hier laufe ich in Anbetracht der Uhrzeit und meiner vorigen Zeitverschwendung nur eine kleine Runde. Die Stadt ist in Sandstein geschlagen worden und dementsprechend deutlich schlechter erhalten, als die Höhlen von Mangup Kale. Witterungsbedingt sind hier aber spannende Steinformationen entstanden, die ein bisschen an Korallen erinnern.

In der nächsten Stadt finde ich ein offenes Wlan und sehe, dass ich für heute Abend eine Zusage bei Couchsurfing hab. Perfekt!

Gegen halb Neun komme ich bei Alexei in Симферополь (Simferopol) an.
Alexei ist ein junger Fotograf, der zusammen mit seinem Onkel Alexander in dessen völlig verrücktem Haus wohnt. Das Haus befindet sich in einem Hinterhof und wirkt von außen, wie innen, absolut willkürlich zusammengezimmert. Jeder Raum sieht einzigartig aus und alles ist bis zum Bersten voll mit spannenden Dingen, Bildern und seltsamer Einrichtung.
Alexander ist Archäologe und offenbar ein bisschen verrückt, aber gleichzeitig absolut liebenswert!
Wir verbringen einen sehr witzigen und Wodkareichen Abend zusammen. Es gibt selbst gebrannten Wodka, der wirklich lecker schmeckt!
Die beiden sprechen einigermaßen gut Englisch, aber irgendwie verstehen wir uns auch, als die beiden anfangen ins Russische zu fallen. (Irgendwann war dann auch gar nicht mehr so wichtig, worüber so geredet wurde).

Ich bin mir jedenfalls sicher, dass mir die Beiden noch einige Zeit im Gedächtnis bleiben werden!

Tag 6 – Dienstag, der 22.05.

Nach einer großzügigen Mütze Schlaf und leckerem Frühstück muss ich mich leider wieder verabschieden und mache mich auf den Weg in Richtung russisches Festland.

Ich bin mal gespannt, ab wann die Krim offiziell zu Russland gehört. Jedenfalls ist mir in den letzten Tagen ganz stark aufgefallen, wie viel Geld hier gerade seitens Russland in die Infrastruktur gesteckt wird. So ziemlich jede Straße bekommt gerade ein Upgrade, ich fahre gefühlt durchweg an fleißigen Bauarbeitern vorbei, Das Handynetz ist Russisch, sämtliche Banken sind Russisch und jeder spricht hier Russisch.

Auch wenn Russland dafür gerade stark sanktioniert wird, würde ich mich doch sehr wundern, wenn Putin das Gebiet wieder abtritt.

Alexei und Alexander sind total unzufrieden mit der Situation. Der Rest der Familie lebt kurz hinter der Grenze zur Krim in der Ukraine und kann jetzt nur noch mit sehr langen Wartezeiten an der Grenze besucht werden. Zur Zeit der Annexion durch Russland waren die Straßen voll mit Soldaten ohne Hoheitszeichen und Normalität ist wohl erst nach etwa einem Jahr wieder eingekehrt. Ähnlich scheint es den Freunden und Bekannten der beiden zu gehen. Gestern war Putin jedenfalls der Running-Gag des Abends.

 

Kurz vor der Brücke nehme ich mal wieder einen Anhalter mit, leider spricht der kein Englisch. Scheint aber unterwegs in Richtung Berge zu sein, wenn ich mir das Equipment so anschaue, was der mitschleppt.

Mein nächster richtiger Halt wird die Stadt Сочи (Sochi), ganz im Süden und kurz vor der Grenze zu Georgien. Die 500 Kilometer werden sich wohl ziemlich ziehen, die Route führt an der Steilküste entlang und wird entsprechend sehr, sehr kurvig.
Ich bin gespannt!