Nördlicher Kaukasus

Die Fahrt von Sochi in Richtung Gebirge ist relativ ereignislos. Durch viele Kilometer Serpentinen geht es, bis ich mich meinem ersten Ziel nähere. Ein Bergsee, in der Nähe von Архыз (Arkhyz).
Vor mir sehe ich ein paar Autos in den Feldweg abbiegen, den ich eigentlich wandern wollte – aber hey, was die können, kann ich auch. Hinterher!
Der Weg entpuppt sich als ziemlich abenteuerlich, bis ich dann tatsächlich an einem Ort ankomme, an dem ich das Auto abstellen kann. Vor kurzem hat es allerdings ziemlich heftig angefangen zu regnen, was mich erstmal abwarten lässt.
Zwei Stunden später ist es immer noch am regnen, sodass ich entschließe die Station ins Wasser fallen zu lassen. Der Weg hierher war sowieso schon aufregend genug.
Einen kleinen Teil vom Rückweg habe ich mal mitgeschnitten.

Mein Weg führt mich weiter in Richtung Домбай (Dombai). Unterwegs wird mein Weg immer wieder von Kuhherden gekreuzt, die meinen, so eine Straße sein ein super Ort zum Grasen.
Wenn es gerade keine Herde Kühe ist, dann alternativ Schafe, Ziegen, oder Pferde.
Am liebsten natürlich unmittelbar hinter einer Haarnadelkurve.

Die verschiedenen Orte, die hier im Gebirge eingefercht sind, sind komplett umschlossen von Bergen. Die Straßen sind allesamt Sackgassen, aus denen man immer wieder komplett rausfahren muss, bis man dann wieder auf der Nördlich gelegenen Hochebene ist.
So liegen zwischen Arkhyz und Dombai nur 40km Luftlinie, fahren muss man aber 160km zwischen den beiden Städten.
Belohnt wird man während der langen Fahrt aber durchgehend mit fantastischer Aussicht. Gerade kurz vor dem Hochgebirge strahlt alles in sattem Grün und lädt zum Verweilen ein.

Dombai erreiche ich am Abend. Die Stadt ist, ähnlich wie Roza Khutor, ein Skiresort und eigentlich nur mit Permit zugänglich. Zu der späten Uhrzeit, zu der ich ankomme, scheint das aber keine Rolle mehr zu spielen. Einen Nachtplatz finde ich nach leckerem Restaurantbesuch, auf einem der Waldpfade, direkt hinter der Stadt.
Ein Fehler – ich werde mal wieder von jemandem geweckt, diesmal ein Grenzwächter, der gerne meinen Permit sehen möchte… Tjaaaaa, den hab ich leider nicht.
Nach einiger Diskussion (Ich auf englisch, er auf russisch), wird mir der Punkt auf der Karte gezeigt, an dem ich das Permit kaufen kann. 20km vor Dombai.
Jaja, bestimmt – wir verabschieden uns und ich fahre den Skilift der Stadt an, der mich bis auf 3050m bringt und fantastische Aussicht über das umliegende Gebirge bietet.

Bemerkenswert ist mal wieder die Grenznähe zu Abchasien. Die ganzen höheren Gipfel liegen alle schon außerhalb von Russland.

Für mich geht es nach kurzer Wanderung auf den Nachbargipfel wieder zurück zum Auto und weiter in Richtung Азау (Azau), einer winzigen Stadt am Fuß vom Elbrus.
Die Gegend die ich jetzt durchfahre ist schon wieder atemberaubend.

Etwas weiter erhasche ich den Gipfel dann endlich das erste mal.
Meine Fresse, ist das ein prägnanter Berg.
Der ragt fast doppelt so hoch über alles, was sonst so in der Umgebung zu sehen ist.
Mir wird nochmal klar, wie groß der tatsächlich ist, als ich herausfinde, dass der noch gut 80km entfernt ist.
Wahnsinn!
Leider ist alles in der Richtung gerade ziemlich bewölkt. Ich warte ein paar Stunden am Wegesrand, aber da ist keine Besserung in Sicht.
Ich schaue ein wenig auf die Karte und sehe, dass ein Feldweg genau in Richtung Elbrus führt.
Die 50km Umweg nehme ich gerne in Kauf und fahre los über die sehr holprige Strecke.
Belohnt werde ich mit einem fantastischen Platz für die Nacht, mit wundervollem Blick auf den Berg.

Da die Wolken offenbar keine Anstände machen zu verschwinden, gibt’s ein Zeitraffer am Abend. Am Berg reiben sich noch ein paar Gewitterwolken, die den Anblick nochmal spannender gestalten.

Leider ohne tollen Sternenhimmel, es ist fast Vollmond und der leuchtet heute besonders Hell.

Eigentlich wollte ich den Sonnenaufgang miterleben. Fünf Uhr war dafür aber offenbar deutlich zu spät.
Belohnt für das frühe aufstehen werde ich aber trotzdem. Mit bestem Wetter und fast wolkenfreiem Himmel. Die Holprige Strecke lässt mich immer mehr tolle Blicke auf den Berg werfen.

Ich bin jedenfalls sehr froh, dass ich einen Geländewagen hab. Noch toller finde ich allerdings den Moment, an dem ich endlich wieder Teer unter den Reifen spüre. Herrlich!
Vor dem Berg geht es noch in die Stadt Кисловодск (Kislowodsk), mit der Felsformation Гора-Кольцо (Gora-Kol’tso).
Ich bin vermutlich der erste heute morgen – Zeit für Blödsinn.

Nach ausgedehnter Pause, bei der ich ein bisschen Schlaf nachhole, geht’s weiter in Richtung Elbrus. Unterwegs komme ich noch an einem Kontrollposten vorbei, die mich rauswinken und einmal Bürokratie mit mir machen. Wie ich so mein Auto sehe, wundert mich das nicht. Ich würde die Karre auch rauswinken, so verdreckt ist die.
Nicht nur das – es gibt auch erste Opfer vom vielen Fahren im Gelände. Eins meiner Fernlichter ist offenbar abgefallen. Ich entdecke den Übeltäter, eine lockere Schraube und ärgere mich ziemlich. Das Fernlicht war eine der besten Investitionen an dem Auto!
Neben dem Fernlicht hat sich auch ein Teil der Befestigung für eine der Kisten gelöst. Ich helfe erstmal mit einem Zurrgurt, muss das aber relativ bald mal ordentlich neu machen. Die Teile dafür habe ich zum Glück mit.

So gegen 18 Uhr komme ich dann in Azau an und setze mich in ein Kaffee, zum Abendessen und um mich ein bisschen zu orientieren.
Im Reiseführer ist die Rede von der Organisation „go-elbrus“, die von einem Deutsch-Russischen Paar geführt wird. Ich schreibe mal die Nummer an, die auf deren Internetseite zu finden ist.
An meinem Nachbartisch sitzen zwei Schweizer, die gestern, nach einigen Tagen Vorbereitung und Akklimatisierung, den Gipfel bestiegen haben. Wir kommen ein bisschen ins Gespräch und ich kriege schwer Lust, auch nach oben zu wandern.
Doch dafür habe ich deutlich zu wenig Zeit. Mein Visum geht nur noch drei Tage.

Ich habe inzwischen eine Antwort von Liza bekommen, die mich letzten Endes einlädt, mich einer Tour bis auf 4.500m anzuschließen.
Das freut mich total und ich sage sofort zu!

Nach ziemlich schlafloser Nacht, die ich einfach mal der Aufregung zuschreibe, nehme ich die erste Gondel, um kurz nach neun, die mich von 2.300m bis auf 3.500m Fährt.
An der verschneiten Gondelstation „Myr“ holt mich Sultan auf einem Schneemobil ab.
Der fährt wie eine gesenkte Sau den Berg weiter hoch und wirft mich wenige Minuten später bei Liza’s Gruppe ab. Die sind etwa auf 3.800m und deutlich schwerer bepackt als ich.
Die nächsten drei Stunden laufen wir zu fünft gemeinsam den Berg hoch. Zwei Kanadier und ein Finne sind noch in der Gruppe. Für die wird es in ein paar Tagen ganz auf den Gipfel gehen.

Neben dem Wetter, was leider immer schlechter wird, macht mir so langsam auch die Höhe sehr zu schaffen. Auf den letzten 100 Metern kriege ich starke Kopfschmerzen und mir wird ein bisschen übel.
Der Schneesturm, der uns inzwischen sämtlicher Sicht beraubt, hilft auch nicht gerade.
Ich habe mein Buff-Tuch offenbar verlegt. Das bereue ich hier oben sehr, der Schnee vereist hier und weht mir mit voller Wucht ins Gesicht. Das ist nicht nur extrem kalt, sondern tut auch noch enorm weh.
Mir geht’s also nicht so gut, aber so kurz vor dem Ziel will ich absolut nicht abbrechen.
Das „five more minutes“ von Liza klingt auf jeden Fall nach ziemlicher Erlösung.

Und dann sind wir da. Ein kleines Fähnchen flattert hier wegweisend vor sich hin. Sonst lässt sich leider nicht viel entdecken.

Nach kurzem Blick ins weiße nichts geht’s auch schon wieder abwärts. Die Gruppe hat praktischerweise Skier und Snowboards mit nach oben getragen. Für die geht’s also deutlich schneller (und vermutlich entspannter) nach unten, als für mich.
Ich habe inzwischen ähnliche Symptome, die man auch bei Fiber hat, also Kopfweh, Hitzwellen beim Atmen, ein fieses Kribbeln am ganzen Körper und generelle Erschöpftheit.

Damit habe ich wirklich nicht gerechnet und muss auf dem Weg nach unten immer wieder Pausen einlegen.
Die Gruppe ist so lieb und wartet immer wieder auf mich und weist mir den Weg. Die letzten zwei/dreihundert Meter abwärts nimmt Sultan mich wieder auf seinem Schneemobil mit, was mir ziemlich entgegenkommt.
Die Hütte von Liza und Sultan liegt auf etwa 3.700 Metern, hier verbringe ich noch eine knappe Stunde, in der sämtliche Symptome wieder komplett abklingen.
Ich nehme auf jeden Fall mit, dass Höhenkrankheit echt kein Scherz ist.

Um kurz nach vier fahre ich wieder ins Tal und schwinge mich ins Auto.
Liza hat mir noch zwei Tipps mit auf den Weg gegeben. Zum einen ein kleiner Laden, in dem ich mir für ~2 € ein neues Schlauchtuch kaufen kann und zum Anderen ein alternativer Rückweg, über eine Schotterstraße ins benachbarte Tal. Ich folge der Schotterstraße bis in den Abend und finde hier mal wieder einen fantastischen Schlafplatz.

Hier taucht mein Buff dann auch wieder auf – tolles Timing.

Weiter geht’s am nächsten Morgen in Richtung Georgien. Da ich keine Vorstellung von der Dauer der Grenzkontrollen hab, überspringe ich noch eine Station, die ich ursprünglich eingeplant hatte.
An einem völlig vernebelten Wasserfall mache ich eine Pause und entdecke, dass mein zweites Fernlicht auch das zeitliche gesegnet hat. Diesmal ist die Plastikbefestigung durchgebrochen und die Lampe baumelt nur noch am eigenen Kabel vor sich hin.
Ich brauche jedenfalls neues Fernlicht.
Dann springt das Auto nicht mehr an – och nee!
Mein erster Verdacht ist aber richtig: die Batterieklemmen haben sich beide lose-gerüttelt.
Das ist zum Glück sehr schnell behoben, es kann also weiter gehen.

Das Tal, durch das ich zur Grenze Fahre ist wunderschön. Die Grenze kommt dann aber doch plötzlicher, als erwartet, sodass ich die Chance zum Fotografieren verpasse.
Die Ausreise gestaltet sich deutlich entspannter, als die Einreise vor vier Wochen. Ein paar Stempel weiter geht es ein wunderschönes Grenzgebiet entlang. Zwischen dem russischen und dem georgischen Grenzposten liegen gut vier Kilometer. Anhalten ist hier leider verboten.

Die Einreise nach Georgien ist denkbar unspektakulär. Ich werde gefragt, ob ich noch irgendwelche Passagiere oder Tiere mitbringe und nach zwei schnellen Stempeln im Reisepass darf ich auch schon rein.

Die Sprache erinnert mich mit ihren geschwungenen Buchstaben ein bisschen ans Thailändische. Glücklicherweise sind die ganzen Schilder hier zweisprachig, sonst hätte ich keine Chance irgendetwas zu entziffern.

Unmittelbar neben dem Kasbek ist die Stadt სტეფანწმინდა (Stepanzminda – jaja, kann man voll gut lesen).
Ab jetzt beginnt wohl meine Reise durch Zentral-Kaukasien. Ich bin gespannt!